top of page

Zitronenbaum

Hej.


Das hier bleibt der wahrscheinlich kürzeste, spontanste und schnellgeschriebenste Post auf diesem Blog.

Weil, ich muss einfach mit euch teilen, wie verdammt schön es ist, in der Sonne zu sitzen. Wisst ihr wie sich das anfühlt nach Wintermonaten, in denen die Sonne einfach verschwunden war? In denen einem die Hände vor Kälte so weh getan haben, dass man das Gefühl gehabt hat, den Weg von Tunnelbanastation zu Bushållplats nicht ohne ekligen Citrustee in Pappbechern von Pressbyrån zu überleben? Obwohl ich diese Woche mein erstes von 5 Schlussexamen schreibe und nach wie vor nicht weiß, wohin ich meinen neugekauften Zitronenbaum im Herbst umziehen werde, obwohl ich so viel wie schon lange nicht mehr in Zeitungen, Podcasts und beunruhigenden Nachrichten aus aller Welt versinke, bin ich gerade in dieser Sekunde einfach in der positivsten Art und Weise überwältigt.

Überwältigt von Stockholm und seinem wirklich verdammt späten Frühlingsbeginn, überwältigt von Menschen, überwältigt vom Leben und von allen Gefühlen die dazu gehören, überwältigt von der Tatsache, dass es tatsächlich praktisch möglich ist, in Turnschuhen aus dem Haus zu gehen, überwältigt von der Sonne.

Von der Sonne, in der ich heute morgen zwei Stunden lang mit meinem Kumpel David aus New York bei Kaffe intensiv über neue Lebensabschnitte, Möglichkeiten und Freiheit geredet hab.

Von der Sonne, in der ich danach durch Stockholm gelaufen bin, mit meinem Kumpel Jason eine Vaniljbulle gegessen und dann ungefähr vier Stunden auf einer Parkbank neben einer strickenden, bountyessenden, frischgeimpften Omi in dem Buch der Stockholmer Philosophin Åsa Wikforss das ich für die Uni lesen muss, so sehr versunken bin, dass ich mir beim anschließenden Currykochen ein Radioprogramm nach dem anderen von ihr angehört habe, dabei leider mein Curry verbrannt habe und damit aber zu der ganz ernsthaften Erkenntnis gekommen bin, dass ich anstatt als Köchin vielleicht als Philosophin, oder zumindest als Philosophiestudentin ganz schön glücklich sein könnte.

Von der Sonne, die mich jeden Morgen in unserer nicht isolierten Wohnung durchs unglaubliche Schwitzen zum frühen Aufstehen bringt aber dann so schön auf den Esstisch und unseren Küchenkräutergarten scheint, dass es sich anfühlt, als würde ich in einem echten Garten sitzen, während ich im 3. Stock via Zoom mit meinen Kurskameraden über die Bedeutung von Fakten diskutiere und mich dabei so ausgeglichen und privilegiert wie schon lange nicht mehr fühle, wenn ich in der Mittagspause auf meine Yogamatte umziehe und dabei mit schlechtem Gewissen an meine geschirrspülenden Lieblingskollegen in der Rush Hour denke.

Überwältigt von der Sonne, in der Hannah und ich gestern morgen durchs idyllische Saltsjö-Boo, schwedische Wälder und über den Schulhof meiner Aupairgastkinder gejoggt sind nachdem wir am Abend vorher mit Kalle und Erik Pizza mit offenem Fenster und Sicherheitsabstand gegessen haben.

Überwältigt von der Sonne, die sich morgen angeblich schon wieder in Schnee verwandeln soll, was ich irgendwie garnicht glauben kann.

Eigentlich wollte ich hier an dieser Stelle wirklich nur eine an meine Mama verfasste Tagesschliderungs-Whatsappnachricht einfügen, aber wie gewöhnlich haben sich meine Finger verselbstständigt und den Text ohne meine Kontrolle verlängert und ausgeschmückt. Würde ich nicht eigentlich eine etymiologische Wortfeldanalyse schreiben müssen, würden sie auch noch ziemlich lange weitermachen, weil ich dafür aber noch ein bisschen Energieproviant aufheben will und außerdem finde, dass dieser Post schon mit genug Begeisterung gefüllt war, schließe ich ohne Begeisterungsliste... (wobei, einer ganz kurzen kann ich beim zweiten Lesen doch nicht widerstehen... :


  1. Podcasts- und die unfassbar krasse Erkenntnis, dass ich tatsächlich Zeit, Platz im Kopf und Energie für die Kunstwerke anderer Menschen haben kann!!!! a) Sinneswandel von Philosophiestudentin Marilena Franca, b) Machiavelli über Rap und Politik unter anderem von Jan Kawelke c) ZEIT-Campus zum Hören d) Und der Journalismuspodcast Und täglich grüßt...

  2. Das Buch ALTERNATIVE FACTS - ON KNOWLEDGE AND ITS ENEMIES von Åsa Wikforss (auf schwedisch ALTERNATIVA FAKTA, auf deutsch ist es meines Wissens nach nicht erschienen... ) sowie der Roman ALLT JAG INTE MINNS, auf englisch everything i don´t remember von Jonas Hassen Khemiri, der eine ungeschminkte, echte, nichtpolierte, hochaktuelle Seite von Stockholm zeigt, einen interessanten literarischen Ausflug nach Berlin illustriert ( Voll spannend finde ich wie Khemiri auf Deutschland schaut, falls ihr das auch cool findet, hab ich euch mal ein paar Zitate übersetzt: Hier war es immer noch wie im Jahr 1995, alle die hier arbeiteten, sahen aus wie blasse Bartender in alten Musikvideos, sie hatten Gel in ihren Frisuren und ihre Gesichter waren entweder krass geschminkt oder sie hatten fette Schnurrbärte und ihre Jeans waren so unmodern, dass sie entweder schon wieder extremmodern oder richtig unmodern waren. Samuel schaute sich um und rief: Berlin, here we come. I Wo sind alle? fragte ich. Naja beim Arbeiten sind sie sicher nicht, sagte Pantern. Es gibt eigentlich niemand in Berlin der arbeitet. - Und was machen die Leute dann? - Mh also in meinem Haus wohnen zwei dänische Designer, ein arbeitsloser portugiesischer Architekt, ein schizophrener Kriegsveteran und ein schwedischer Autor. I Er berichtete, dass der offizielle Slogan von Berlin Reich aber sexy war und dass es immer noch möglich war, billige Wohnungen zu finden und es außerdem eine starke antikapitalistische Bewegung gab. Die Leute besetzen Häuser und dann können sie einfach wohnen bleiben und in der Nähe von Panters Haus gab es einfach nen Laden mit Gratissachen. Krank oder? ) und mir schwedischen Slang beibringt.

  3. Oh gott ja und natürlich mein kleiner neuer Zitronenbaum, den Anica und ich an einem schlechtelaunezweifeltag für den halben Preis auf der Straße gekauft haben und dann zum Bao-Essen mit ins Restaurant genommen haben

  4. Überraschung: die Sonne und der nicht alternative sondern wirklich existente Fakt, dass sie heute meine Nase verbrannt hat. )



.... und dafür aber mit einem besonders großen Puss& kram ab.

Ich vermiss euch obwohl es hier schön ist.


Marie

Comments


bottom of page