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Fast-Dezember

November- welch dunkler, komischer, schöner, bunter, trauriger, beunruhigender, nebliger, spannender Zwischendrin-Fast-Dezember. Angefangen hat er damit, dass ich mir vor lauter Freude über mein negatives Covid-Testergebnis mein für den schwedischen Winter eigentlich ein bisschen zu luftiges rotes Geburtstagskleid angezogen habe um meine Rückkehr zur Arbeit mit Blaubeeren aus meinem knallblauen Lieblingsteller zu feiern.

Der Bus auf dem Weg zu A La Lo war genauso wie das Café selbst zwar deutlich ruhiger als vorher aber während in Deutschland und dem restlichen Europa gelockdownt wurde, habe ich weiterhin Karottenkuchen an alte Damen mit Gehstock in der Hand verkauft, Frozen Bananajoghurts für fröhlich vor sich hin schnackende Tussis mit Erdnussbuttersoße und Erdbeeren dekoriert, morgens um 5 zusammen mit meinen Lieblingskollegen 70 Zitrussallade mit Basilikumöl bespritzt, Mango und Weintrauben auf Joghurt gelegt und 70 mal Cream Cheese auf Toastbrot unter Avokados für den Kronprinz Carl-Philipp, sein Personal und die von ihm zu einem Onlinelaunchingevent seiner neuen Porzellanserie (oder so) eingeladene Stockholmer Schickeria geschmiert, ein neuer Freund kam im Café vorbei als ich gerade mit meiner Latzhose hinter der Bar Kaffe gemacht habe um mir ganz unverhofft den kleinen Prinz auf schwedisch zu schenken und in einer kleinen neueröffneten Bäckerei hab ich den schwarzen Kaffee von einem interessanten New Yorker Musiker serviert bekommen.





Eigentlich war und ist das alles so richtig schön und ich hab mich trotz der Sonnenuntergänge um 15:00 und der unfassbaren Eiseskälte samt Monsterwind plötzlich so richtig Stockholmerisch und angekommen gefühlt. Eigentlich, weil dann der Hangoversamstag kam, an dem Lovisa und ich etwas verschlafen aber sehr beschwingt von einer unterhaltsamen freitagabendlichen Erstes-Date-Aktion in einer gemütlichen Tapasbar auf einmal Zeit für einen sehr untypischen ruhigen Morgenkaffe und sogar Frühstück á La Lo hatten, weil das Café komplett leer und die Straße nicht nur vernebelt sondern komplett ausgestorben war.




Eigentlich auch, weil mir immer wieder der Satz wenn dass Oma oder wenn das Steffi oder wenn das Tine (…) sehen würde, durch den Kopf schießt und eine besonders starke und sehr seltsame Form des schlechten Gewissens verursacht. Denn obwohl es jetzt langsam aber sehr sicher auch in Stockholm neue Restriktionen beziehungsweise Empfehlungen gibt, sich die Stimmung deutlich gewandelt hat, das Café A la Lo Besuch von zwei (unmaskierten und undistanzierten) Mitarbeitern des schwedischen Gesundheitsamtes bekommen hat, die zehn von dreißig Plätzen weggenommen haben, überkommt mich dieses schlechte Gefühl ständig. Beim Anblick so verdammt schöner Dinge wie der alten Oma, die mit ihrem Enkelkind fröhlich durch den Supermarkt schlendert, des rapelvollen Restaurants, in in dem ich mir die vietnamesischen Frühlingsrollen mit einem immerhin Antikörperbesitzenden Schweden teile oder mit so viel Abstand wie möglich (sehr wenig in diesem Fall) Kaffeetassen vor den faltigen Nasen eines sehr alten zufrieden lächelnden Ehepaars auf den Tisch abstelle. Wirklich, ich habe lange überlegt, wie ich mich in dieser Situation am Besten verhalten soll und wie ich das Schöne, was ich diesen November erlebt habe, hier formulieren kann und ich hab mich fast garnicht getraut darüber zu schreiben, weil es sich so unfair euch gegenüber anfühlt. Unfair und dumm, weil ich ja sehr genau weiß, dass Coronaviren keinen Unterschied zwischen Schweden oder Deutschen machen, ich jeden Tag die Nachrichten lese und sehr wohl Statistiken mit in die Höhe schnellenden Infektionszahlen betrachte. Wie paradox ist es denn bitte, dass ich gerade hier, in Stockholm, im absoluten Coronarisikogebiet, so wenig wie niemand von euch von dieser globalen Pandemie mitbekomme und auf schöne kleine Lebensdinge verzichten muss. Da mich dieses schlechte Gewissen und Verrücktmachen nicht so arg weit gebracht hat, habe ich für mich beschlossen, bis Weihnachten so entspannt, achtsam, ruhig und respektvoll wie möglich zu sein und mich um die Menschen zu sorgen und zu kümmern, die ich gerade in meinem Leben habe und das sind nun mal neben wunderbaren Deutsche, mit denen ich via Facetime oder dieses atelier verbunden bin, vor allem meine sehr verunsicherten, auf Unterstützung angewiesenen tollen Chefs, schwedischen Freunde und Arbeitskollegen, mit denen ich es so unfassbar genieße, diese komische Zeit zu verbringen und gemeinsam durchzustehen. Dass November der Fast-Dezember ist, bedeutet auch, dass ich mich (zumindest nach Plan) bald auf den Weg in Richtung Heidelberg, Weihnachten, Familienurlaub und Risikogebieteinreisekarantäne machen werde.

Darauf freu ich mich sehr, weil ich dann einige von euch hoffentlich auf einen vernünftigen Philosophenwegpaziergang oder sowas treffen kann. Bis dahin schicke ich euch ein bisschen meiner novemberlichen Begeisterung als Inspiration zum…


…Hören: Diese Lieder in voller Lautstärke aufgedreht passen perfekt, wenn auf dem rosanen Tisch von Á La Lo die Kerzen vor sich hinflackern, während es draußen stockdunkel und eiskalt ist, nur der eine Tisch in der Ecke von einem lernenden Student und die Bar von dem Stammkunden der 4 Espressos in einer Tasse bestellt, belegt ist, die Teigmaschine mit dem Namen Björn vor sich hinbrummt während er Croissantteig knetet und Lovisa und ich uns (auf schwedisch!! oder manchmal wenn die Stimmung ein bisschen melancholisch ist auf französisch) über die Liebe (Für Lovisa ist es übrigens völlig selbstverständlich dass meine Kinder mal schwedisch sprechen werden) und das Leben unterhalten oder beim Geschirrspülen und Traubenschneiden vor uns hinschweigen.




…Anschauen: Undanflykter. Im Moment vergeht kein Tag, an dem ich nicht den Instagramaccount der schwedischen Fotografin Agnes durchscrolle und dabei sehnsüchtig, inspiriert, ermutigt und fasziniert werde…..







…Probieren: PAIN PERDU- FATTIGA RIDDARE- ARME RITTER- wowmmhhaaaaahhhh- Lo(visa)s vegane Version mit veganer Ricottasahne, Pistazien, Brombeeren, Puderzucker und Zitronenschale riechen und schmecken nach im-Bett-einkuschel-und-nicht-rausgeh-Morgen. Perfekt also für einen Lockdown. Hoffentlich kann der ein oder die andere aber auch baaald mal nach Schweden kommen und das Original probieren…



Oh und was mich gerade nicht so begeistert, ist die wirklich nicht funktionstüchtige Isolationstechnik unserer Wohnung, die mich dazu veranlasst, diesen Blogeintrag mit zwei paar Hosen, drei Pullis und einer Kanne gekochtem Tee halb sitzend im vom Backofengemüse noch warmen geöffneten Ofen zu verfassen…





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