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1jahrundeinewoche

endet was, ändert das. fängt was an, zweifelt man. alles ist offen, voll wünschen und hoffen. es endet was, was ändert das?


atelierastrid hatte Geburtstag. Vor einem Jahr und einer Woche hab ich den gelben Stuhl in die Ecke gestellt und begonnen, das was mich begeistert, bedrückt und beschäftigt an diese Wand zu schreiben.

Die Zeit letztes Jahr in der ich diesen kleinen virtuellen Raum, diese Website zum Leben erweckt habe, war geprägt von verrücktmachender Unsicherheit, trauriger Einsamkeit, von bedrückender Ungewissheit


– Viele einsame Abende mit Chili sin Carne und Facetime in Orminge. Unzählige Listen mit den unterschiedlichsten Plänen für "das!" nächste Jahr. Heimweh. Sehnsucht nach endlich richtig tiefen Beziehungen und genau so vielen Freunden wie in Heidelberg in einem Stockholm, das mir oft so groß und anonym, so unkreativ und zu glatt und perfekt vorkam, was das Zweifeln, das Vermissen von Altem und die Sehnsucht nach Neuanfang riesig gemacht hat. Tausende Ideen, Träume und Millionen Wünsche nach dem verschiedensten- Eine Bäckerausbildung in Nordschweden. Theater in Berlin, vielleicht auch Medizin. Illustration und Malerei in Kopenhagen. Medien in Hamburg. Human Rights in Malmö. Journalismus in Stockholm. Am Ende hatten all diese so unterschiedlichen Ideen aber eines gemeinsam; Ich wollte etwas finden, mit dem ich mich zuhause fühle, ein neues Zuhause, in dem ich mich nicht jeden Tag frage, ob ich nicht lieber wo anders sein sollte, ich wollte ein Zuhause haben, an dem ich kein Heimweh habe.


Was hätte die Marie, die vor einem Jahr mit Chili sin Carne und Notizbuch mit unendlich langer Liste mit Bewerbungsfristen auf dem Schoß auf Lovisas Sofa in Orminge saß, wohl zu dem Leben der Marie, die ein Jahr später nach einer Woche an der Stockholmer Journalistenschule in ihrem eigenen Bett mit LIBERTAD-Poster an der Wand auf Södermalm liegt gesagt?


Was hätte sie dazu gesagt, dass sie innerhalb von 2 Monaten Journalismusstudium Interviews auf schwedisch mit Auslandskorrespondenten, Kinderklinikclowns, dem Plattenladenbesitzer und Scientologymitgliedern geführt und Reportagen über weibliche Genitalverstümmelung und Schuldgefühle in Sekten geschrieben hätte?

Was hätte sie zu der Freiheit und Zeit gesagt, die sie plötzlich gewonnen hätte und die ihr erlauben würde, spontan an Filmdrehs und Theaterproduktionen teilzunehmen, von denen sie durch Leute gehört hätte, die sie erst kennenlernen würde durch die neugewonnene Energie die nicht durch laaaaaaaaaangeeee Arbeitstage mit frühen Morgenden und schweren Müllsäcken in Müdigkeit umgewandelt werden würde ?

Was hätte sie dazu gesagt, dass sie Freunde gefunden hätte, die Donnerstagnachts spontan mit ihr auf der Campusparty tanzen gehen, die Mittwochabends mit ihr das neue Stück vom alternativen Jugendtheater anschauen, die Freitags indisches Essen mit ihr in ihrer eigenen Wohnung in Södermalm essen, die sie fragen, ob sie Samstags Türsteherin zu einer kleinen Galerie sein möchte, die Sonntags mit ihr einen Spaziergang durch Teile von Stockholm machen, die sie vorher noch nie gesehen hat, die Montags mit ihr müde mit Sweatshirt im Vorlesungssaal sitzen und über Reportageideen diskutieren, die Dienstags mit ihr Kürbissalat kochen und die sie die ganze Woche lang nicht alleine fühlen lassen?

Was hätte sie dazu gesagt, dass sie sich bei alaloFesten nicht mehr komplett uncool und fehl am Platz sondern voll akzeptabel fühlen würde?

Was hätte sie dazu gesagt, dass die Marie ein Jahr später eine Fensterbank hätte, in der sie sitzen und tatsächlich in Ruhe Bücher lesen, in Ruhe schreiben und auf der sie sich auf eine nicht komplett euphorische crazyge sondern einfach ganz ruhige, echte und natürliche Art und Weise zuhause fühlen, in der sie sogar richtig Ruhe zum Bücherlesen und keine Angst irgendwas zu verpassen haben würde?


ich glaube sie wär sprachlos gewesen. sprachlos und ziemlich ziemlich aufgeregt. glücklich. neugierig. sie hätte nicht wahrhaben können, dass sie jemals dieses scheinbar so unerreichbare Traumleben in der Stadt in der sie so oft müde gewesen war, erreichen würde, weshalb sie sich an noch unerreichbarere Plätze verträumt hat.


Der Weg zu meiner Fensterbank und zu meinem Journalismusstudium war nicht gerade ein Spaziergang auf einer asphaltierten Allee mit schattenspendenden Bäumen bei dem man auf halber Strecke ein Picknick in der Sonne mit Kaffee und veganem Käsekuchen macht sondern eher irgendwas zwischen Orientierungslauf bei dem die Hälfte vom veganen Würstchen im Feuer verkokelt und Wanderung mit ausgelaufener Wasserflasche im Rucksack –

Ein Weg, den man mit ein paar Blasen an den Füßen und riesengroßem Hunger überlebt und nach dem man erschöpft aber stolz nach Hause kommt und dieses Zuhause durch die Erinnerungen an den holprigen Waldausflug, die man mit der Zeit zu seiner eigenen Verwunderung zu romantisieren beginnt, dann ganz besonders wertschätzen kann.


endet was, ändert das. fängt was an, ändert man.


Und deshalb ist es Zeit, atelierastrid ein bisschen umzudekorieren, den gelben Stuhl in Richtung Fenster zu verschieben und ein Neueröffnungsschild an die Türe zu kleben. Ich finde die weißen Wände haben erstmal genug Geschichten und Gedanken über meine eigenen Begeisterungsstürme, Zweifel und Spaziergänge durch Stockholm gehört. Deshalb werden hier in hoffentlich näherer Zukunft eher die Geschichten anderer Menschen; Människor den Raum einnehmen. Ich werde versuchen, euch an den inspirierenden Begegnungen und Recherchen, die ich im Rahmen meines Journalismusstudiums mache, teilhaben zu lassen. Die Klinikclownin Babuschka über die ich diese Woche einen kleinen Film gemacht habe und macht hier den Anfang.


Zum Abschluss noch ein neues Lieblingslied, das es leider leider leider nicht auf dem deutschen Spotify gibt:






Sowie ein paar Fotos vom Geburtstage feiern, Tanzen, Spontan auf Reportagereise gehen, Kürbissalat essen, Papayasocken, Fahrstuhlfahren, Türsteherin sein, Filme machen, meinem Badeanzug nach dem Fast-Eis-Wasser-Baden und von Füßen und Gesichtern von neuen und alten Freunden sowie ein Video von mir im Stockholm von 1962 in dem ich ausprobieren durfte, Mama zu sein:












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